die Figuren auf ihren Sockeln, die zahlreich an der Wand im Atelier von Stefanie Supplieth hängen. Sie brauchen wohl einen sicheren Stand.
Alle von ihnen, wirklich alle, scheinen, stumm wie sie sind, ein Eigenleben zu führen.
Der Mann mit den roten Schwimmflügeln in seiner weißen Badehose zum Beispiel. Er sinniert womöglich über seinen bevorstehenden, wenig beherzten Sprung ins Wasser. Ganz wohl scheint ihm bei dem Gedanken nicht zu sein. Ganz anders die dreiköpfige Familie. Vater, Mutter, Sohn. Auch mit Schwimmflügeln, alle in Badekleidung. Sie bilden eine Einheit, eine Familie eben, den Blick vom Beckenrand fest geradeaus gerichtet.
Das wirkt entschlossen. Gleich geht´s los. Mit den kleinen Sockelarbeiten auf dem Tisch oder im Regal, knapp 30 Zentimeter hoch, ist es genauso.
Der nackte Mann, der neckisch sein rechtes Bein kerzengerade vom Körper abwinkelt und dabei die Arme hinter dem Körper verschränkt, sieht verdrossen aus. Mag er dort gar nicht stehen? Oder muss er es tun? Ist ihm gar langweilig?
Den eigenen Assoziationen freien Lauf zu lassen, das fällt leicht beim Betrachten dieser figürlichen Arbeiten. Es ist von einer Art sehr individueller, fast stolzer Intimität, die diese wundersamen Zeitgenossen auf ihren Sockeln, die ihnen Halt zu verleihen scheinen, ausstrahlen. Und wir dürfen ihnen dabei zuschauen, wie sie mit sich hadern oder mal mehr, mal weniger zuversichtlich in den Raum, ja, in die Zeit schauen. Die unbekleidete „Denkerin“ jedenfalls, wie sie da sitzt im halben Schneidersitz, scheint sich keineswegs schlüssig zu sein, was sein wird. Und dennoch verkündet ihr Gesichtsausdruck einen gewissen Optimismus. Es wird schon.
Solche Momentaufnahmen kommen nicht von ungefähr. Und dass sie weniger eine Reflexion von bisher Geschehenem sind, sondern vielmehr einen Blick nach vorn, in die nahe Zukunft anbieten, auch nicht. Es sind keine flüchtigen Momente, die Stefanie Supplieth mit ihren Sockelfiguren schafft, es sind Augenblicke des Innehaltens. Gedanken an Momente des Wartens, des Lächelns, des großen Ernstes, des Schauens.
Wenn man Stefanie Supplieths weiß getünchtes Atelier im Bremer Steintor betritt, dass sie mit drei weiteren Künstlern und einer Auszubildenden teilt, dann fällt sofort auf, dass hier das Herstellen von neuen Arbeiten und das Ausstellen bereits vorhandener eine Einheit bilden. Die großen Arbeiten, keramische Stelen und Bronzen, finden hier zwar leider nicht genug Platz. Aber die vielen anderen Figuren, oft auf ihren Sockeln, schon. Das Atelier jedenfalls ist offen für Besucher, hier findet Kunst nicht hinter verschlossenen Türen statt. Es wird gleichzeitig gearbeitet und gezeigt.
Diese Kombination nimmt gefangen.
So können die figürlichen Arbeiten an den Wänden wahrhaft in sich sich selbst ruhen, so wie die fetten und zufrieden wirkenden Buddhas, die manchmal ein Gesicht haben und dann wieder keins. Der vielschichtige Humor in Stefanie Supplieths Skulpturen, eine Portion Frechheit und Erotik, sie sind der Ausdruck vom ganz persönlichen Blick in andere Lebenswelten. Und damit öffnet sich gleichzeitig auch die Sicht des Betrachters. Vielleicht ist die größte Qualität dieser Werke, dass man sich nicht groß auf sie einlassen muss. Denn ohne große Mühe beginnen die Figuren auf den Sockeln zu reden. Ohne Worte zwar und unhörbar. Aber innerhalb kurzer Zeit machen sich sich verständlich. Da entsteht, unmittelbar, ein stummer Dialog. Fragen tun sich auf. Antworten ergeben sich. Ganz von allein.
Das macht Spass. Großen Spass.
Text von Jürgen Franke